Skip to main content

Merkels Propagandamaschine

Jeder Artikel, der von der "Rettung" Griechenlands spricht, richtet moralisch. An solcher Berichterstattung zeigt sich, wie manipulativ ein Journalismus agiert, der vor allem von deutschen Interessen handelt


Propaganda, sagt Edward Bernays, der den Begriff geprägt hat, ist die Reduktion der komplexen Wirklichkeit auf einige wenige, leicht zu verstehende Erklärungen, und es ist dabei letztlich egal, ob diese Erklärungen auch stimmen.

Sein Klassiker "Propaganda" erschien 1928, weit vor Fernsehen und Internet, er ist mehr Handlungsanweisung für die Mächtigen als Kritik an der Manipulation der Massen - gerade deshalb lohnt es sich heute, ihn mal wieder zu lesen.

Denn in seinem Sinn ist zum Beispiel jeder Artikel, der die Eurokrise darauf reduziert, dass Merkel oder Schäuble oder Brüssel oder sonst irgendjemand Griechenland "rettet", nichts anderes als Propaganda.

"Merkel rettet die Banken"

Seit Jahren ist "Rettung" das Wort, das viele Journalisten benutzen, um die Geschichte dieser Krise zu erzählen: Mit einem Wort wird etabliert, wer etwas tut und wer nichts tut, wer aktiv ist und wer passiv, wer am Abgrund steht und wer mit der helfenden Hand herbeieilt.

Mit einem Wort werden Schuld und Abhängigkeit hergestellt, mit einem Wort werden Dankbarkeit und Versagen festgelegt, mit einem Wort wird moralisch gerichtet - die Analyse kommt nicht mehr hinterher, wenn erst mal die emotionale Ebene erreicht ist.

Der Retter ist ja im Recht, das suggeriert dieses Wort, er ist im Besitz der Wahrheit, er hat das Gute auf seiner Seite, er handelt aus höheren Motiven - "Rettung" ist deshalb ein Wort, das im Politischen an sich oder im politischen Journalismus als solchem nichts verloren hat, denn es verschleiert die Motive und Interessen, aus denen Politik besteht.

Ich habe zum Beispiel noch keine Schlagzeile gelesen, die lautete: "Merkel rettet die Banken" - dabei wäre auch das eine sehr plausible Verkürzung dessen, was in Europa spätestens seit 2010 passiert ist.

Und auch diese Schlagzeile fehlt noch: "EU und IWF planen Staatsstreich in Griechenland". Dabei kann man die Eurokrise durchaus so zusammenfassen: Wenn es darum geht, Griechenland in die Knie zu zwingen, und so wird das immer intoniert, nimmt man ein mögliches Scheitern der griechischen Regierung gern in Kauf.

Primär wird der Kapitalismus gerettet

"Es ist ein erstaunliches Spektakel", schreibt etwa Ambrose Evans-Pritchard, ein "Burke-Konservativer", wie er sich selbst nennt, kein Linker - die Europäische Zentralbank und der IWF, meint er, würden "wie rasend auf eine gewählte Regierung einprügeln, die nicht das tut, was sie wollen".

Auch Jürgen Habermas hat in dieser Woche noch mal auf das grundlegende Demokratiedefizit der EU hingewiesen - es werden in Griechenland nicht die europäischen Werte oder die demokratischen Ideale oder gar die griechischen Bürger "gerettet", es wird primär ein Kapitalismus gerettet, der Stabilität und Sicherheit braucht.

Die Europäische Zentralbank hat schon mal vorgemacht, wie das geht, sie schickte im August 2011 geheime Briefe an die spanische und italienische Regierung, in denen sie Änderungen an Gesetzen verlangte und damit in die inneren Angelegenheiten dieser Länder eingriff.

Merkwürdigerweise findet man Texte mit solchen Information aber vor allem in amerikanischen und englischen Medien - der durchschnittliche deutsche Leitartikler findet eh, dass die Griechen - gegen jeden ökonomischen Sachverstand - noch mehr sparen müssen, sieben fette Jahre seien genug.

Dass die EU damit ihr Wohlstandsversprechen bricht, eine der wesentlichen Grundlagen und Existenzberechtigung überhaupt der EU, dass es also aufseiten der EU ein deutliches Versagen gibt, das angesprochen werden sollte, das fehlt in der Geschichte von der "Rettung" Griechenlands.

Politikberichterstattung im Geist der Seifenoper

Stattdessen wird immer wieder neu auf den Showdown hingeschrieben, was nur die Krisenrhetorik der "Retter" bedient, die den permanenten Notstand brauchen, um ihre drastischen Maßnahmen zu legitimieren - der Journalismus engagiert sich in einer Eskalationsdramaturgie, die in der Atemlosigkeit keinen Platz zum Nachdenken lässt.

Und gleichzeitig wird im "Tagesspiegel" über Schäubles blaue Augen geschrieben, die nicht lügen können, und in der "Welt" über die Ehefrau, die Tsipras erst zu dem Sturkopf gemacht hat, der er aus deutscher Sicht sein muss - es ist eine Politikberichterstattung im Geist der Seifenoper, die letztlich nur dazu dient, die zugrunde liegenden ökonomischen Probleme zu verhüllen.

Komplizenschaft zwischen Politik und Medien

"Alles Lügen?", fragt die "Zeit" in ihrer Titelgeschichte von dieser Woche, eine selbstkritische Reflexion über den Druck auf die Medien in den letzten Jahren und auf die Fehler, die gemacht wurden - Irakkrieg 2003 und Finanzkrise 2008 sind zwei Beispiele, aber "nun haben die Redaktionen aus ihren Fehlern gelernt".

Aber ist nicht die Griechenland-Berichterstattung genauso ein Beispiel dafür, wie manipulativ und einseitig ein Journalismus agiert, der vor allem von deutschen Interessen handelt und eine deutsche Sicht der Dinge verbreitet, die weit entfernt ist von dem, was in anderen europäischen Ländern geschrieben und gedacht wird?

So sieht das jedenfalls Ambrose Evans-Pritchard, der im britischen "Telegraph" die griechische Schuldenkrise zum "Irakkrieg der Finanzen" erklärt - er meint damit auch die Komplizenschaft zwischen Politik und Medien, die in der vergangenen Woche einen "Bank-Run" regelrecht beschworen hätten.

"Die bewusste und intelligente Manipulation des kollektiven Verhaltens und der Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element in der demokratischen Gesellschaft", schreibt Edward Bernays. "Es ist eine unsichtbare Regierung, die diesen verborgenen gesellschaftlichen Mechanismus manipuliert, sie ist die eigentliche Herrschaftsmacht in unserem Land."

Es ist eine Regierung, die niemand gewählt hat und die niemand kontrolliert.

Source:

Comments

Popular posts from this blog

Netanyahu Is Getting His War Between The U.S. & Iran!

The Jimmy Dore Show   Little progress is being made in negotiations between the United States and Iran over the latter’s nuclear program, and that may be by design. The U.S. is demanding a complete dismantling of Iran’s nuclear enrichment program, which is a non-starter for the Iranians. Meanwhile, the U.S. appears to have reneged on a promise to get a ceasefire and humanitarian aid into Gaza in exchange for the release of the last American hostage, so Hamas — and by extension Iran — feel the U.S. cannot be trusted in negotiations. Jimmy Dore and Americans’ Comedian Kurt Metzger discuss how Israel appears to be orchestrating a U.S. attack on Iran that few Americans have any interest in.    Related: Trump makes key move to beat Biden in their race to start a war with Iran

Trump in SHOCK: Putin & China FLIP His Grave Mistake into STUNNING Victory

Danny Haiphong   Putin & China just gave Trump a rude BRICS awakening, and this bombshell will change everything for generations to come. Geopolitical analyst Ben Norton details the truth about Trump's biggest failure against the rising power of BRICS led by Russia and China, and why the US's role as super power is now in serious question.     Related: Trump's tariffs: A unique opportunity for BRICS and the Global South to fully escape from dollar tyranny

Trump's attempt to divide Russia & China is failing, badly

Geopolitical Economy Report   Donald Trump claimed he would "un-unite" Russia and China, but the US divide-and-conquer strategy is failing. In a meeting in Moscow celebrating the 80th anniversary of their nations' victory in World War Two, Presidents Xi Jinping and Vladimir Putin reaffirmed that "China-Russia relations have reached the highest level in history" and will "jointly resist any attempts to interfere with and disrupt the traditional friendship and deep mutual trust between China and Russia". Ben Norton explains.     Related:   Why China supports Russia

Inside Iran's Savak torture museum

The Grayzone   Caution: This report contains depictions of simulated violence that may upset some viewers. Max Blumenthal tours one of the most disturbing museums on the planet. Set in Tehran's former Ebrat Prison run by the anti-sabotage unit of Shah Reza Pahlavi's Savak intelligence services, the museum is filled with shockingly graphic exhibits featuring lifelike mannequins recreating the hideous torture tactics deployed to repress dissidents rebelling against Iran's monarchy. Many mannequins on display represent notorious torturers who either fled or were executed after the Islamic revolution in 1979, while others are modeled after famous prisoners locked away in Ebrat like the current Leader of Iran, Ayatollah Khamanei.  

14,000 babies could die if aid doesn’t enter Gaza in 48 hours, UN warns

Some 14,000 babies could die in Gaza in 48 hours if aid does not reach them in time, the UN’s humanitarian chief, Tom Fletcher, told the BBC today. Though Israel said it would allow “basic aid” into Gaza, only five trucks entered the enclave yesterday, two carrying shrouds to help bury Palestinians killed in Israel’s bombs. Others were in Gaza, but were being held by occupation forces and had not reached Palestinians. This was the first delivery of aid since 2 March, when Israel completely sealed the enclave. This, Fletcher explained, is a “drop in the ocean” and totally inadequate for a population of over 2.3 million, and for which no aid has been allowed to enter for 80 days.    “Tonnes of food is blocked at the [Gaza] border” by Israel, Director General of the World Health Organisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, said yesterday. This comes just weeks after the UN agency of Palestinian refugees (UNRWA) warned that hundreds of thousands of Palestinians eat only one mea...

"Kidnapped in Int'l Waters": Israel Intercepts Gaza-Bound Aid Ship, Detains Greta Thunberg & Others

Democracy Now!   Eleven peace activists and one journalist on board the Gaza Freedom Flotilla ship, the "Madleen," were detained by Israeli soldiers as their ship carrying vital humanitarian aid for starving Palestinians approached Gaza.    The ship was intercepted by Israeli forces in the middle of the night in international waters. Its supplies were seized and communications jammed. The unarmed activists will likely be transported to Israeli detention or "immediately deported," says Ann Wright, a U.S. military veteran who has participated in four Freedom Flotilla journeys and now serves on the steering committee of the Freedom Flotilla Coalition. She calls on citizens of countries around the world to push for the activists' release and an end to Israel's war on Gaza. 

Latest on Los Angeles anti-ICE protests in US

CGTN     Views of downtown Los Angeles where protests against immigration raids entered their third day on Sunday local time.   Protesters clashed with National Guard troops in downtown Los Angeles during the latest wave of demonstrations against statewide immigration enforcement operations that swept across California over the weekend.  

Never, Ever Let Anyone Forget What They Did To Gaza

by Caitlin Johnstone   I will never forget the Gaza holocaust. I will never let anyone else forget about the Gaza holocaust. No matter what happens or how this thing turns out, I will never let anyone my voice touches forget that our rulers did the most evil things imaginable right in front of us and lied to us about it the entire time. I will never stop doing everything I can with my own small platform to help ensure that the perpetrators of this mass atrocity are brought to justice. I will never stop doing everything I can to help bring down the western empire and to help free Palestine from the Zionist entity. I will never forget those shaking children. Those tiny shredded bodies. Those starved, skeletal forms. The explosions followed by screams. The atrocities followed by western media silence.   I will never forget, and I will never forgive. I will never forgive our leaders. I will never forgive the western press. I will never forgive Israel. I will never forgive the main...

They Will Starve You In A Killing Cage Too

by Nate Bear   Starvation is taking hold in Gaza. Twenty-nine people have starved to death in the last few days.  Death by starvation is horrific, the body feeding on itself, first consuming carbohydrates and fats, and then moving on to the protein parts of tissue. Once these are used up, vital organs and tissues start to fail as they aren’t being nourished by essential nutrients. The heart, lungs, muscles, ovaries, testes and brain physically shrink and shrivel. The kidneys start to fail. Eventually the body begins scavenging muscle, including the heart muscle. When this starts to happen, death is hours away, preceded by hallucinations, severe mental disturbances and convulsions. With less stored fat and higher metabolic needs, children die first. Starving parents hold their dying children, at this point nothing but skin and bone, in their arms. Adults can survive anywhere between twenty and forty days without food. Those already weak, chronically ill or immuno-compromised di...